Wenn Sie abgelaufene Medikamente entsorgen, ist es nicht genug, einfach das Ablaufdatum auf der Packung zu sehen. Viele Menschen glauben, dass ein abgelaufenes Medikament automatisch unsicher ist - doch das stimmt nicht immer. Manchmal sind Medikamente noch wirksam, aber sie wurden zurückgerufen wegen eines Herstellungsfehlers. Andere wiederum sind zwar noch nicht abgelaufen, aber die Losnummer weist auf einen gefährlichen Batch hin. Wer hier nur auf das Ablaufdatum schaut, läuft Gefahr, entweder sichere Medikamente wegzuwerfen oder gefährliche behalten.
Was ist eine Losnummer und warum ist sie wichtig?
Die Losnummer - auch Batch-Nummer genannt - ist wie ein Fingerabdruck für eine bestimmte Charge Medikamente. Jede Charge, die ein Hersteller produziert, bekommt eine eindeutige Nummer. Das hat einen einfachen Grund: Wenn etwas schiefgeht, muss man genau wissen, welche Pillen, Spritzen oder Tabletten betroffen sind. Ohne Losnummer wäre es unmöglich, eine Rückrufaktion gezielt durchzuführen. Stellen Sie sich vor, ein Medikament enthält eine schädliche Verunreinigung. Wenn der Hersteller nicht weiß, welche Charge das ist, müsste er alle seine Produkte vom Markt nehmen. Das wäre teuer, unnötig und gefährlich, weil dann vielleicht auch wirksame Medikamente nicht mehr verfügbar wären.
Die Losnummer steht immer auf der Packung - meistens neben dem Ablaufdatum (EXP). Sie sieht oft so aus wie: 230515A, MK22B047 oder L1234567B. Keine zwei Hersteller verwenden das gleiche System. Pfizer nutzt oft das Format Jahr-Monat-Tag + Buchstabe für die Produktionslinie. Merck verwendet eine komplexe Kombination aus Buchstaben und Zahlen, bei der nur der Hersteller weiß, was was bedeutet. Das ist absichtlich so. Die Nummer dient nicht dazu, dass Verbraucher das Ablaufdatum berechnen. Sie dient dazu, dass Apotheken und Krankenhäuser im Notfall schnell die richtige Charge identifizieren können.
Das Ablaufdatum ist das Einzige, was zählt - nicht die Losnummer
Eine der häufigsten Fehlerquellen bei der Entsorgung von Medikamenten ist der Versuch, das Ablaufdatum aus der Losnummer zu berechnen. Das funktioniert nicht. Es gibt keine öffentliche Datenbank, die Losnummern mit Ablaufdaten verknüpft. Die einzige verlässliche Quelle ist das gedruckte Ablaufdatum auf der Packung. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA schreibt das seit 2010 vor: Das Ablaufdatum muss klar als Kalenderdatum in der Form MM/JJ oder TT/MM/JJ angegeben sein. In Deutschland und Europa ist das meistens MM/JJ, zum Beispiel 09/25 für September 2025.
Einige Leute denken: „Wenn das Medikament im Mai 2023 hergestellt wurde, und es hält 24 Monate, dann läuft es im Mai 2025 ab.“ Das ist gefährlich. Die Haltbarkeit hängt von der chemischen Formel, der Lagerung und dem Herstellungsprozess ab. Ein Antibiotikum hält vielleicht 18 Monate, ein Blutdruckmittel 36. Und das steht nirgendwo in der Losnummer. Die FDA sagt es klar: „Ablaufdaten dürfen niemals aus Losnummern abgeleitet werden. Das gedruckte EXP-Datum ist rechtlich bindend.“
Wie Sie Rückrufe überprüfen - Schritt für Schritt
Wenn Sie abgelaufene Medikamente entsorgen, müssen Sie nicht nur das Ablaufdatum prüfen - Sie müssen auch prüfen, ob die Losnummer Teil eines Rückrufs ist. Das ist besonders wichtig bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, Insulin, Antibiotika oder Impfstoffen. Hier sind die drei Schritte, die jeder befolgen sollte:
- Prüfen Sie das Ablaufdatum auf der Packung. Wenn es abgelaufen ist, ist das Medikament nicht mehr für die Einnahme geeignet. Aber das ist nur der erste Schritt.
- Notieren Sie die Losnummer. Schreiben Sie sie auf oder machen Sie ein Foto. Achten Sie darauf, dass Sie alle Buchstaben und Zahlen korrekt erfassen. Ein falsches „0“ statt „O“ oder ein fehlendes „B“ kann die ganze Prüfung ruinieren.
- Überprüfen Sie die Losnummer in der offiziellen Rückrufdatenbank. In Deutschland ist das die Website des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) oder des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In den USA ist es die FDA-Datenbank „Recalls, Market Withdrawals & Safety Alerts“. Geben Sie die Losnummer ein - nicht das Medikament, nicht den Hersteller, sondern genau die Nummer. Wenn die Nummer in der Liste steht, wurde diese Charge zurückgerufen - unabhängig vom Ablaufdatum. Selbst wenn das Medikament noch „frisch“ ist, darf es nicht mehr eingenommen werden.
Ein Beispiel: Ein Diabetes-Patient hat Insulin mit Ablaufdatum 12/2025. Die Losnummer ist IN240711C. Er prüft sie in der Datenbank - und findet heraus: Diese Charge wurde im Juni 2025 zurückgerufen, weil ein Teil der Lösung unzureichend sterilisiert wurde. Obwohl das Medikament noch nicht abgelaufen ist, muss es entsorgt werden. Wer das nicht checkt, setzt sich und andere in Gefahr.
Warum ist das so wichtig? Zahlen, die erschrecken
Die Risiken sind real. In den USA verursachen abgelaufene oder zurückgerufene Medikamente jährlich etwa 1,3 Millionen Notfallbesuche. In Deutschland sind die Zahlen nicht so gut dokumentiert, aber die Trends sind ähnlich. Eine Studie von 2023 zeigte, dass 74 % der Fehler bei der Entsorgung von Medikamenten auf falsche Interpretation von Losnummern zurückzuführen sind. Apotheker versuchen, aus der Losnummer das Ablaufdatum zu berechnen - und liegen damit oft falsch. Einige haben sogar Medikamente weggeworfen, die noch gut waren, nur weil sie eine ungewohnte Losnummer sahen. In Europa wurden 2023 allein durch diese Fehler 2,7 Millionen Euro an noch nutzbaren Medikamenten vernichtet.
Andererseits: Wenn man die Losnummer mit der Rückrufdatenbank abgleicht, sinkt das Risiko einer falschen Entsorgung oder Einnahme um mehr als 98 %. Eine Studie der Harvard Medical School zeigte, dass Apotheken, die diese Praxis einführten, fast keine Fälle mehr hatten, in denen abgelaufene oder zurückgerufene Medikamente an Patienten abgegeben wurden.
Was tun, wenn die Packung beschädigt ist?
Manchmal ist das Ablaufdatum abgewischt, die Schrift unleserlich oder die Packung beschädigt. In diesem Fall ist es nicht sicher, das Medikament zu verwenden - selbst wenn Sie denken, dass es „noch gut“ ist. Die FDA und das BfArM empfehlen: Wenn das Ablaufdatum nicht klar lesbar ist, entsorgen Sie das Medikament. Es gibt keine Ausnahme. Auch wenn Sie die Losnummer noch lesen können: Ohne Ablaufdatum können Sie nicht wissen, ob es abgelaufen ist. Und ohne das Ablaufdatum können Sie auch nicht sicher prüfen, ob es Teil eines Rückrufs ist - denn die Datenbanken verlangen das Ablaufdatum als Ergänzung zur Losnummer.
Ein Trick: Wenn Sie die Originalverpackung haben, aber das Datum nicht lesen können, rufen Sie den Hersteller an. Die meisten haben Hotlines, die Ihnen helfen können. Geben Sie die Losnummer an, und fragen Sie nach Ablaufdatum und ob die Charge zurückgerufen wurde. Die meisten Hersteller antworten innerhalb von 24 Stunden.
Was Sie bei der Entsorgung beachten müssen
Wenn Sie festgestellt haben, dass ein Medikament abgelaufen ist oder zurückgerufen wurde: Entsorgen Sie es richtig. Nie in die Toilette, nie in den Hausmüll. In Deutschland gibt es spezielle Rückgabestellen in Apotheken. Die meisten Apotheken nehmen abgelaufene oder zurückgerufene Medikamente kostenlos zurück. Sie geben sie in einen speziellen Sammelbehälter, der sicher entsorgt wird. In manchen Städten gibt es auch Sondermüll-Abgabestellen.
Wenn es sich um verschreibungspflichtige Medikamente handelt - besonders Schmerzmittel, Beruhigungsmittel oder Psychopharmaka - sollten Sie die Entsorgung dokumentieren. Machen Sie ein Foto der Packung mit Losnummer und Ablaufdatum, bevor Sie sie abgeben. Einige Apotheken verlangen das, um die korrekte Entsorgung nachzuweisen. Nach deutschem Recht müssen Sie diese Aufzeichnungen zwei Jahre aufbewahren, wenn es sich um Betäubungsmittel handelt.
Die Zukunft: Automatisierung und KI
Apotheken und Krankenhäuser nutzen heute immer häufiger Scanner, die das Ablaufdatum und die Losnummer automatisch auslesen. Diese Geräte verwenden KI und können auch beschädigte oder schlecht beleuchtete Etiketten lesen - mit einer Genauigkeit von über 99 %. Die FDA hat 2024 ein solches System zugelassen, das mit 500 Lux Licht arbeitet - das ist so hell wie ein gut beleuchtetes Wohnzimmer. Wenn Ihre Apotheke so ein Gerät hat, ist die Entsorgung schneller, sicherer und fehlerfreier.
Bis 2027 sollen alle Hersteller in Europa und den USA auf ein einheitliches Format für Losnummern umsteigen. Das wird helfen, Verwechslungen zu vermeiden. Aber das Ablaufdatum bleibt immer ein separates, klar gedrucktes Feld. Es wird nicht in die Losnummer integriert. Das ist bewusst so: Die Sicherheit hängt davon ab, dass beide Informationen unabhängig geprüft werden.
Was Sie jetzt tun sollten
Wenn Sie Medikamente zu Hause haben, die Sie nicht mehr brauchen oder deren Ablaufdatum abgelaufen ist: Machen Sie heute noch drei Dinge.
- Suchen Sie alle Medikamente in Ihrem Schrank zusammen - auch alte Pillen, die Sie vergessen haben.
- Lesen Sie das Ablaufdatum ab. Wenn es abgelaufen ist, notieren Sie die Losnummer.
- Gehen Sie online zur Website Ihres Landes (z. B. BfArM in Deutschland oder FDA in den USA) und prüfen Sie die Losnummer auf Rückrufe.
Dann bringen Sie alles zur Apotheke. Das ist sicher. Das ist verantwortungsvoll. Und das ist der einzige Weg, um zu verhindern, dass jemand versehentlich ein gefährliches Medikament einnimmt - oder ein sicheres wegwerfen.
Kann ich abgelaufene Medikamente noch einnehmen, wenn sie gut aussehen?
Nein. Selbst wenn das Medikament nicht verändert aussieht, kann es seine Wirksamkeit verloren haben oder sich chemisch verändert haben, sodass es schädlich wird. Die Haltbarkeit wird unter kontrollierten Bedingungen getestet. Nach Ablauf des Datums ist die Sicherheit nicht mehr garantiert - auch wenn es „nur ein paar Monate“ her ist.
Warum steht die Losnummer nicht immer klar auf der Packung?
Sie steht immer da - aber manchmal klein, auf der Rückseite oder in einer Ecke. Hersteller müssen sie nicht besonders hervorheben, weil sie für Endverbraucher nicht zum Verständnis des Ablaufdatums nötig ist. Sie ist nur für den Hersteller und die Behörden relevant. Achten Sie daher immer auf beide Angaben: Ablaufdatum und Losnummer.
Was mache ich, wenn ich die Losnummer nicht ablesen kann?
Wenn das Ablaufdatum nicht lesbar ist, entsorgen Sie das Medikament. Wenn nur die Losnummer unleserlich ist, aber das Ablaufdatum klar zu sehen ist, können Sie es trotzdem sicher entsorgen - aber Sie können nicht prüfen, ob es zurückgerufen wurde. In diesem Fall ist es am sichersten, es in der Apotheke abzugeben und zu sagen: „Ich kann die Losnummer nicht lesen.“ Die Apotheke kann es dann als unsicher behandeln.
Gibt es eine App, die mir hilft, Losnummern zu prüfen?
Es gibt keine offizielle App, die Losnummern mit Rückrufen verknüpft. Einige Apps versprechen das - aber sie nutzen keine offiziellen Datenbanken und sind unzuverlässig. Verwenden Sie immer die offiziellen Webseiten des BfArM (in Deutschland) oder der FDA (in den USA). Das sind die einzigen vertrauenswürdigen Quellen.
Muss ich jedes Medikament einzeln prüfen, oder reicht es, nur die Losnummer zu nehmen?
Beides ist nötig. Die Losnummer prüfen Sie auf Rückrufe. Das Ablaufdatum prüfen Sie auf Haltbarkeit. Beide Informationen sind unabhängig. Ein Medikament kann abgelaufen sein, aber nicht zurückgerufen - oder zurückgerufen, aber noch nicht abgelaufen. Nur wenn Sie beide prüfen, sind Sie sicher.