21 November 2025

SGLT2-Hemmer und Hefeinfektionen: Was Sie über Harnwegscomplicationen wissen müssen

SGLT2-Hemmer und Hefeinfektionen: Was Sie über Harnwegscomplicationen wissen müssen

SGLT2-Hemmer-Risikorechner für Harnwegsinfektionen

SGLT2-Hemmer und Infektionsrisiko

Dieser Rechner hilft Ihnen, das individuelle Risiko für Harnwegsinfektionen während der Einnahme von SGLT2-Hemmern zu ermitteln. Ihre Daten werden nicht gespeichert und dienen nur zur persönlichen Einschätzung.

Ihr persönliches Infektionsrisiko

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Risikostufe:
Niedriges Risiko

Empfohlene Präventionsmaßnahmen

Aufgrund Ihres Risikos sollten Sie besonders auf Hygiene achten. Tragen Sie atmungsaktive Baumwollunterwäsche und vermeiden Sie enge Kleidung. Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von mindestens 1,5 Liter pro Tag.

Hinweis: Dieser Rechner gibt eine grobe Einschätzung des individuellen Risikos basierend auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Er ersetzt nicht die ärztliche Beratung.

Wenn Sie mit Typ-2-Diabetes leben, haben Sie vielleicht schon von SGLT2-Hemmern gehört - Medikamente wie Empagliflozin, Dapagliflozin oder Canagliflozin. Sie senken den Blutzucker, schützen das Herz und helfen beim Abnehmen. Aber es gibt einen Nebeneffekt, den viele Patienten nicht erwarten: häufige Hefeinfektionen und manchmal sogar lebensbedrohliche Harnwegsinfektionen.

Wie funktionieren SGLT2-Hemmer wirklich?

SGLT2-Hemmer funktionieren nicht wie andere Diabetes-Medikamente. Statt die Bauchspeicheldrüse zu zwingen, mehr Insulin zu produzieren, oder die Leber davon abzuhalten, zu viel Zucker freizusetzen, sagen sie den Nieren: „Lasst den Zucker einfach mit dem Urin raus.“

Normalerweise filtern die Nieren den Zucker aus dem Blut und saugen ihn wieder zurück. SGLT2-Hemmer blockieren diesen Wiederaufnahmeprozess. Das Ergebnis? Jeden Tag werden 40 bis 110 Gramm Zucker über den Urin ausgeschieden - das ist so viel wie in einer ganzen Flasche Cola. Klingt gut für den Blutzucker? Ja. Aber es hat einen Haken.

Der Zucker im Urin wird zu einem Festmahl für Pilze und Bakterien. Vor allem Hefepilze wie Candida albicans lieben diese Umgebung. Sie vermehren sich rasant - und das führt zu Infektionen, die oft schmerzhaft und schwer zu behandeln sind.

Wie häufig sind Hefe- und Harnwegsinfektionen?

Studien zeigen: Bei etwa 3 bis 5 von 100 Menschen, die einen SGLT2-Hemmer einnehmen, entwickelt sich eine Genitalhefeinfektion. Bei Frauen ist das meist eine vulvovaginale Candidose - Juckreiz, Brennen, weißlicher Ausfluss. Bei Männern tritt Balanitis auf: Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Eichel.

Im Vergleich dazu: Nur 1 bis 2 von 100 Menschen, die ein Placebo nehmen, bekommen das. Das ist fast dreimal so häufig. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Einige Patienten entwickeln echte Harnwegsinfektionen (HWI). Diese sind nicht nur unangenehm - sie können sich schnell verschlimmern. Eine Metaanalyse aus 2022 zeigt: SGLT2-Hemmer erhöhen das Risiko für HWI um 78 % im Vergleich zu anderen Diabetes-Medikamenten wie DPP-4-Hemmern oder Sulfonylharnstoffen.

Was ist so gefährlich an diesen Infektionen?

Die meisten Hefeinfektionen sind unkompliziert und lassen sich mit Creme oder Tabletten behandeln. Aber manchmal geht es viel weiter.

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat zwischen 2013 und 2014 19 Fälle von schweren Harnwegsinfektionen mit Sepsis dokumentiert - alle Patienten mussten ins Krankenhaus. Vier davon brauchten Intensivpflege, zwei mussten Dialyse bekommen, weil ihre Nieren versagten. Die Infektionen begannen meist nach 45 Tagen Einnahme - also nicht sofort, sondern nach einer gewissen Zeit.

Einer der schwersten Fälle: Eine 64-jährige Frau entwickelte eine emphysematöse Pyelonephritis - eine seltene, aber tödliche Niereninfektion, bei der Gasbildung in den Nierengeweben auftritt. Sie musste operiert werden. Ein Jahr später, nachdem sie das Medikament wieder begonnen hatte, kam es zur Wiederholung - mit einem Abszess um die Niere herum.

Und dann gibt es noch Fournier-Gangrän: eine extrem seltene, aber lebensbedrohliche Gewebezerstörung im Genital- und Analbereich. Sie wird von Bakterien verursacht, die sich in der feuchten, zuckerreichen Umgebung ausbreiten. Die Behandlung ist aggressiv - oft mehrere Operationen, Antibiotika und intensive Pflege.

Wer ist besonders gefährdet?

Nicht jeder, der einen SGLT2-Hemmer nimmt, bekommt eine Infektion. Aber manche Gruppen haben ein deutlich höheres Risiko:

  • Frauen - wegen der kürzeren Harnröhre und der Nähe von Vagina und Anus
  • Ältere Menschen ab 65 Jahren - ihr Immunsystem ist oft geschwächt
  • Menschen mit vorherigen Harnwegs- oder Genitalinfektionen
  • Personen mit schlecht kontrolliertem Blutzucker (HbA1c >8,5 %)
  • Wer bereits Nierenprobleme hat (eGFR unter 60)

Ein 2024 entwickelter Risikoscore aus fünf Faktoren zeigt: Wer drei oder mehr dieser Punkte trifft, hat eine über 15-prozentige Wahrscheinlichkeit, eine schwere Harnwegsinfektion zu bekommen - fast jede sechste Person.

Mann und Frau mit Warnsymbolen über den Genitalien, die SGLT2-Medikamente halten.

Was können Sie tun, um sich zu schützen?

Es geht nicht darum, das Medikament einfach abzusetzen - besonders wenn es Ihr Herz und Ihre Nieren schützt. Es geht darum, die Infektionsgefahr zu minimieren.

  1. Hygiene ist entscheidend: Waschen Sie sich täglich mit klarem Wasser, trocknen Sie gründlich - besonders zwischen den Beinen. Vermeiden Sie Duftseifen und Intimduschen.
  2. Trinken Sie viel: Mindestens 1,5 bis 2 Liter pro Tag. Das spült Zucker und Bakterien aus dem Harnweg.
  3. Vermeiden Sie enge Kleidung: Baumwollunterwäsche, keine Synthetik. Keine Strumpfhosen oder Yoga-Hosen den ganzen Tag.
  4. Beobachten Sie Ihre Symptome: Juckreiz, Brennen beim Wasserlassen, ungewöhnlicher Ausfluss, Fieber über 38 °C, Rückenschmerzen - das ist kein „nur ein bisschen unangenehm“. Das ist ein Notfall.
  5. Reduzieren Sie Zuckerzufuhr: Auch wenn Ihr Blutzucker durch das Medikament kontrolliert ist, kann zusätzlicher Zucker aus der Nahrung die Infektionsgefahr erhöhen.

Einige Studien zeigen, dass Cranberrysaft oder -extrakt das Risiko um bis zu 29 % senken kann - aber das ist noch nicht offiziell empfohlen. Es ist kein Ersatz für Hygiene und medizinische Aufsicht.

Was sagt die Medizin heute?

Die Europäische Arzneimittelbehörde und die FDA haben die Warnhinweise auf den Packungsbeilagen deutlich verschärft. Seit 2015 steht dort klar: „Wenn Sie Fieber, Schmerzen oder Rötungen im Genitalbereich haben - suchen Sie sofort einen Arzt auf.“

Die American Diabetes Association rät heute: Prüfen Sie vor der Verschreibung, ob der Patient schon einmal Harnwegsinfektionen hatte. Wenn ja - überlegen Sie, ob ein anderes Medikament besser ist.

Ein Endokrinologe aus Johns Hopkins sagt es klar: „Wir verschreiben SGLT2-Hemmer nicht, weil sie perfekt sind. Wir verschreiben sie, weil sie für bestimmte Patienten lebensrettend sein können. Aber wir müssen sie mit Augenmaß einsetzen.“

Was sind die Alternativen?

Wenn Sie oft Harnwegsinfektionen haben, gibt es andere Optionen, die das Risiko nicht erhöhen:

  • DPP-4-Hemmer wie Sitagliptin - wirken ähnlich, aber ohne Zucker im Urin.
  • GLP-1-Agonisten wie Semaglutid - senken den Blutzucker, fördern Gewichtsverlust und schützen das Herz - ohne Hefeinfektionen.
  • Metformin - immer noch das erste Mittel der Wahl, wenn es verträglich ist.

Die Wahl hängt davon ab, ob Sie Herzprobleme haben, ob Sie übergewichtig sind, ob Ihre Nieren noch gut funktionieren. SGLT2-Hemmer sind besonders gut für Menschen mit Herzinsuffizienz oder chronischer Nierenerkrankung - aber nur, wenn die Infektionsgefahr kontrollierbar ist.

Patient rennt ins Krankenhaus, während Bakterienwolken hinter ihm herziehen.

Was passiert, wenn ich das Medikament absetze?

Wenn Sie wegen wiederkehrender Infektionen absetzen, steigt Ihr Blutzucker oft wieder an. Das ist kein Problem, das man ignorieren kann - hoher Zucker schadet Nieren, Augen, Nerven und Gefäße.

Einige Patienten, die abgesetzt haben, berichten: „Ich fühlte mich nach drei Monaten wieder wie vor der Diagnose.“ Andere sagen: „Ich war froh, endlich wieder ohne Juckreiz schlafen zu können.“

Aber es gibt auch Menschen, die das Medikament wieder aufgenommen haben - nach einer Behandlung der Infektion und mit strenger Hygiene. Und sie haben weiterhin einen geschützten Herzmuskel, stabilere Nierenwerte und kein neues Diabetes-Koma.

Was kommt als Nächstes?

Forscher arbeiten an neuen Versionen dieser Medikamente - zum Beispiel Doppelhemmer, die nicht nur SGLT2, sondern auch SGLT1 blockieren. Das könnte die Menge an Zucker im Urin reduzieren - und damit das Infektionsrisiko senken.

Auch digitale Tools entstehen: Apps, die Ihre Symptome tracken, oder Blut- und Urin-Tests, die vorhersehen, ob Sie in den nächsten Wochen eine Infektion bekommen.

Die Industrie hat gelernt: Diese Medikamente sind zu wertvoll, um sie zu ignorieren. Aber sie müssen sicherer werden. Und Patienten müssen besser informiert sein.

Was tun, wenn Sie Symptome haben?

Wenn Sie eines dieser Anzeichen bemerken - handeln Sie sofort:

  • Juckreiz, Brennen oder Rötung in der Vagina oder am Penis
  • Schmerzen beim Wasserlassen
  • Trüber, übel riechender Urin
  • Fieber über 38 °C
  • Schmerzen im unteren Rücken oder Bauch
  • Generelles Unwohlsein, Müdigkeit, Schüttelfrost

Nicht abwarten. Nicht „vielleicht geht es wieder“. Nicht mit Hausmitteln probieren. Gehen Sie zum Arzt - oder direkt in die Notaufnahme. Eine einfache Hefeinfektion kann in 48 Stunden zu einer Nierenentzündung werden. Und das ist kein Spiel.

Die Medizin hat einen Weg gefunden, Diabetes mit weniger Nebenwirkungen zu behandeln. Aber diese Medikamente sind kein Allheilmittel. Sie sind ein Werkzeug - und wie jedes Werkzeug müssen Sie es mit Respekt nutzen.

Können SGLT2-Hemmer bei Frauen häufiger zu Hefeinfektionen führen als bei Männern?

Ja. Frauen haben ein deutlich höheres Risiko für vulvovaginale Candidose, weil ihre Anatomie - kürzere Harnröhre, Nähe von Vagina und Anus - eine ideale Umgebung für Hefepilze schafft. Studien zeigen, dass bis zu 7 % der Frauen, die einen SGLT2-Hemmer einnehmen, eine Genitalinfektion entwickeln, während es bei Männern etwa 3 % sind. Das liegt nicht am Medikament selbst, sondern an der Körperstruktur.

Ist es sicher, SGLT2-Hemmer während einer Hefeinfektion weiterzunehmen?

Nein. Wenn eine Infektion auftritt, sollte die Einnahme vorübergehend unterbrochen werden, bis die Infektion vollständig behandelt ist. Das Medikament sorgt weiterhin dafür, dass Zucker in den Urin gelangt - und das nährt die Pilze, während sie behandelt werden. Ihr Arzt wird entscheiden, wann Sie es wieder aufnehmen können - oft nach 1-2 Wochen, wenn die Symptome verschwunden sind.

Warum wird SGLT2-Hemmer trotz Infektionsrisiko überhaupt verschrieben?

Weil sie das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzversagen deutlich senken - besonders bei Menschen mit bereits bestehender Herzkrankheit. In Studien wie EMPA-REG OUTCOME reduzierte Empagliflozin das Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle um 38 %. Für viele Patienten ist das Gewicht der Vorteile größer als das Risiko einer Infektion - vorausgesetzt, sie werden richtig überwacht.

Kann ich Cranberrysaft als natürliche Vorbeugung nehmen?

Einige Studien deuten darauf hin, dass Cranberrysaft oder -extrakt das Risiko für Harnwegsinfektionen bei SGLT2-Hemmer-Nutzern um bis zu 29 % senken kann. Allerdings ist das noch nicht offiziell empfohlen, und der Saft sollte zuckerfrei sein - mit Zucker wird das Risiko sogar erhöht. Ein Glas täglich kann helfen, aber ersetzt keine Hygiene oder ärztliche Kontrolle.

Wann sollte ich meinen Arzt aufsuchen, wenn ich SGLT2-Hemmer einnehme?

Sofort, wenn Sie Fieber über 38 °C haben, starke Schmerzen im unteren Rücken oder Bauch, Schüttelfrost, ungewöhnlichen Ausfluss oder Rötung im Genitalbereich. Auch wenn es nur „ein bisschen juckt“ - wenn es länger als zwei Tage anhält, sollte es abgeklärt werden. Eine frühe Behandlung verhindert, dass eine einfache Infektion zu einer Nierenentzündung oder Sepsis wird.

Geschrieben von:
Sabine Grünwald
Sabine Grünwald

Kommentare (2)

  1. André Galrito
    André Galrito 23 November 2025

    Es ist erstaunlich, wie oft wir Medikamente als Wundermittel sehen, ohne die grundlegenden biologischen Mechanismen zu verstehen. SGLT2-Hemmer zwingen den Körper, Zucker auszuscheiden – kein Wunder, dass Pilze sich wie in einem Zuckerbad wohlfühlen. Aber das Problem ist nicht das Medikament, sondern unsere Haltung: Wir erwarten, dass Medizin ohne Kompromisse funktioniert. Dabei ist Gesundheit ein Gleichgewicht – nicht ein Knopfdruck.

  2. Nils Heldal
    Nils Heldal 23 November 2025

    Ich hab’ das selbst erlebt – nach drei Monaten Empagliflozin plötzlich Juckreiz, der nicht wegging. Arzt gesagt: Candida. Creme, zwei Wochen pausiert, alles weg. Aber ich hab’ das Medikament danach wieder angefangen. Herzschutz ist mir wichtiger als ein bisschen Unbehagen. Nur: Hygiene, Hygiene, Hygiene. Und viel trinken. Kein Geheimnis.

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