Was passiert, wenn ein Pharmaunternehmen sein eigenes Patentmedikament als Generikum auf den Markt bringt? Klingt paradox, ist aber Realität: autorisierte Generika sind exakt dieselben Arzneimittel wie das Original, nur mit einem anderen Label, verkauft unter einem generischen Namen - und sie werden vom gleichen Unternehmen produziert, das das Patent hält. Diese Praxis hat den Wettbewerb auf dem Pharmamarkt grundlegend verändert - und nicht immer zum Vorteil der Verbraucher.
Wie autorisierte Generika entstehen
Autorisierte Generika sind keine neuen Medikamente. Sie sind identisch mit dem Originalpräparat: gleiche Wirkstoffe, gleiche Dosierung, gleiche Herstellungsverfahren. Sie benötigen keine neue Zulassung der FDA, weil sie einfach das bestehende New Drug Application (NDA) nutzen. Das Unternehmen, das das Patent hält, reicht nur eine ergänzende Anwendung ein, um das Produkt unter einem generischen Namen zu verkaufen - oft über eine Tochtergesellschaft oder einen Lizenznehmer. Die gesamte Einführung dauert selten länger als 90 Tage. Das Besondere: Diese Generika treten genau dann auf den Markt, wenn ein unabhängiger Generikahersteller als Erster ein Patent angefochten hat und 180 Tage exklusive Vermarktungsrechte erhält - ein Anreiz, den das Hatch-Waxman-Gesetz von 1984 geschaffen hat. Aber anstatt diese Zeit für echten Wettbewerb zu nutzen, kann das originale Unternehmen mit seinem eigenen Generikum direkt dagegen antreten.Der Wettbewerbsknick: Wer profitiert wirklich?
Stellen Sie sich vor: Ein Generikahersteller investiert Millionen in einen Patentstreit, gewinnt ihn - und darf nun 180 Tage lang als einziger billiges Medikament verkaufen. Dann kommt das Originalunternehmen mit einem Produkt, das genauso wirkt, aber nicht billiger ist. Es ist, als würde ein Autohersteller nach dem Sieg eines Konkurrenten im Rennen plötzlich ein identisches Auto mit einem anderen Logo verkaufen - und zum gleichen Preis wie das Original. Die Folge? Der erste Generikahersteller verliert 40 bis 52 Prozent seines Umsatzes während der Exklusivitätsperiode, so die Federal Trade Commission (FTC). In manchen Fällen sinkt sein langfristiger Umsatz um bis zu 62 Prozent, wenn autorisierte Generika im Spiel sind. Ohne diese Konkurrenz hätte der erste Generikahersteller 80 bis 90 Prozent des Marktes erobert. Autorisierte Generika nehmen 25 bis 35 Prozent des Marktes ein - aber sie verkaufen sich nicht wie echte Generika. Sie sind nicht 80 Prozent günstiger wie echte Generika, sondern nur 15 bis 20 Prozent billiger als das Original. Das schafft eine preisliche Zwischenzone: teuerer als echte Generika, aber günstiger als das Patentmedikament. So wird der Preisdruck gedämpft - und die Ersparnisse für Patienten und Krankenkassen bleiben aus.Der Deal hinter den Kulissen: Reverse Payments
Es gibt noch eine dunklere Seite: Vereinbarungen zwischen Originalherstellern und Generikaherstellern, die den Wettbewerb komplett aushebeln. In rund 25 Prozent der Patentstreitigkeiten zwischen 2004 und 2010 wurde nicht nur der erste Generikahersteller bezahlt, um seine Markteinführung zu verschieben - sondern auch versprochen, kein autorisiertes Generikum einzuführen. Diese sogenannten „Reverse Payments“ sind kein Zufall. Sie sind ein Geschäftsmodell. Der Generikahersteller verzichtet auf den Markt - und bekommt dafür Geld, Marktvolumen oder andere Vorteile. Das Originalunternehmen vermeidet den Preisverfall. Der Kunde zahlt länger mehr. Die FTC nennt das „die eklatanteste Form von wettbewerbswidrigem Verhalten“ in der Pharmaindustrie. Laut einer Studie von Drug Patent Watch führten diese Deals zu durchschnittlichen Verzögerungen von fast 38 Monaten - das ist mehr als drei Jahre, in denen das Patentmedikament ohne echte Konkurrenz verkaufte. In der Praxis bedeutet das: Patienten, die ein billigeres Medikament brauchen, warten länger - und zahlen mehr.
Wer sagt was? Die Fronten im Streit
Die Industrie ist gespalten. Die Federal Trade Commission (FTC) hält autorisierte Generika für eine Täuschung. Sie untergraben den Sinn des Hatch-Waxman-Gesetzes: den Anreiz für echte Generikahersteller, Patente anzufechten. Der ehemalige FTC-Chef Joseph Simons sagte 2019 vor dem Kongress: „Diese Vereinbarungen sind eine Art Bestechung, um den Wettbewerb zu verhindern.“ Gegenargumente kommen von der Pharmaindustrie. PhRMA, der Verband der Originalhersteller, behauptet, autorisierte Generika würden den Wettbewerb erhöhen, weil sie mehr Angebote schaffen. Eine Studie aus „Health Affairs“ aus dem Jahr 2024 sagt, dass Apotheken bei Verfügbarkeit eines autorisierten Generikums 13 bis 18 Prozent weniger für Generika zahlen. Aber das ist irreführend: Diese Ersparnisse entstehen nur, weil das Originalunternehmen seinen eigenen Preis senkt - nicht weil echte Konkurrenten eintreten. Die generischen Hersteller sehen das anders. Teva, einer der größten Generikahersteller, verlor 2018 allein durch autorisierte Generika 275 Millionen US-Dollar Umsatz. Der ehemalige CEO der Generic Pharmaceutical Association, Chip Davis, sagte 2015: „Diese Praxis entwertet die 180-Tage-Exklusivität - das ist der Kern des Gesetzes.“ Pharmacy Benefit Manager (PBMs) - die großen Abrechner im Gesundheitssystem - sind oft für autorisierte Generika. 68 Prozent der PBM-Manager gaben 2023 an, sie bevorzugen sie, weil sie mehr Preisoptionen bieten. Aber das ist kein Sieg für den Patienten. Es ist ein Sieg für die Abrechnungssysteme, die Rabatte aushandeln - nicht für diejenigen, die das Medikament brauchen.Die Zahlen: Ein Rückgang - aber kein Ende
Gut zu wissen: Die Nutzung autorisierter Generika nimmt ab. 2010 waren sie in 42 Prozent der relevanten Märkte vorhanden. 2022 waren es nur noch 28 Prozent. Warum? Weil die FTC härter durchgreift. Seit 2020 hat sie 17 Ermittlungen wegen wettbewerbswidriger Vereinbarungen gestartet. Der Supreme Court hat 2013 in „FTC v. Actavis“ klargestellt: Reverse Payments sind antitrust-relevant. Seitdem sind Unternehmen vorsichtiger geworden. Ein Studie aus dem Jahr 2023 im „American Journal of Health-System Pharmacy“ zeigt: Nach Patentsettlements kommen heute deutlich seltener autorisierte Generika auf den Markt. Die Industrie hat gelernt, dass diese Praxis juristisch riskant ist. Doch das bedeutet nicht, dass sie verschwunden ist. Noch immer werden autorisierte Generika in 20 bis 25 Prozent der Fälle bis 2028 erwartet - nicht als Wettbewerber, sondern als strategisches Werkzeug. Unternehmen nutzen sie jetzt seltener als Drohung, sondern als letztes Mittel, wenn sie den Markt nicht mehr halten können.
Was bedeutet das für Patienten?
Einfach gesagt: Autorisierte Generika schaffen nicht mehr Wettbewerb - sie verhindern ihn. Sie verwandeln den 180-Tage-Anreiz, Patente anzufechten, in eine Illusion. Sie halten Preise hoch, obwohl die Technologie längst billig wäre. Sie geben den Originalherstellern eine Art „Backdoor“, um Monopole zu verlängern - ohne dass sie ein neues Patent brauchen. Die größte Gefahr? Sie schrecken echte Generikahersteller ab. Wenn ein Unternehmen sieht, dass sein großer Sieg im Patentstreit nicht zu einem Marktanteil führt, sondern zu einem Preisdruck durch das Originalunternehmen - warum sollte es dann überhaupt anfechten? Für Medikamente mit geringem Umsatz (unter 27 Millionen US-Dollar pro Jahr) könnte das bedeuten: Kein Generikum kommt jemals auf den Markt. Das ist kein technisches Problem. Es ist ein politisches. Das Hatch-Waxman-Gesetz war ein Meilenstein - es sollte den Zugang zu billigen Medikamenten ermöglichen. Autorisierte Generika haben es in eine Schlinge verwandelt, in der der Wettbewerb nur vorgeschoben ist.Was kommt als Nächstes?
Der Senat hat 2023 erneut den „Preserve Access to Affordable Generics and Biosimilars Act“ vorgeschlagen - ein Gesetz, das Vereinbarungen verbieten würde, die die Einführung autorisierter Generika verzögern. Wenn es verabschiedet wird, könnte das die Praxis beenden. Aber bis dahin bleibt es ein Spiel mit versteckten Regeln. Was können Sie tun? Wenn Sie ein Medikament einnehmen, fragen Sie: Ist das ein echtes Generikum - oder nur ein Original mit anderem Etikett? Die Apotheke kann es Ihnen sagen. Und wenn Sie ein Rezept haben: Fragen Sie nach dem billigsten Angebot. Nicht alle Generika sind gleich. Manche sind nur getarnte Originalprodukte. Autorisierte Generika sind kein Fehler im System - sie sind ein Feature. Und solange das System sie zulässt, wird der Wettbewerb nie wirklich frei sein.Was ist der Unterschied zwischen einem autorisierten Generikum und einem echten Generikum?
Ein echtes Generikum wird von einem anderen Unternehmen hergestellt, das ein Patent angefochten hat. Es ist identisch im Wirkstoff, aber oft deutlich günstiger. Ein autorisiertes Generikum wird vom Originalhersteller selbst hergestellt - es ist exakt dasselbe Produkt, nur mit einem anderen Namen und Label. Es wird oft zu einem Preis verkauft, der nur leicht unter dem Original liegt - nicht wie ein echtes Generikum, das 80 Prozent billiger sein kann.
Warum erlaubt die FDA autorisierte Generika, wenn sie den Wettbewerb behindern?
Die FDA erlaubt sie, weil das Gesetz - das Hatch-Waxman-Gesetz von 1984 - sie nicht verbietet. Es regelt, wie Generika zugelassen werden, aber nicht, ob der Originalhersteller sein eigenes Produkt als Generikum verkaufen darf. Die FDA sagt: Wenn es keine neuen Daten braucht und die Qualität gleich ist, ist es zulässig. Ob das sinnvoll ist, entscheidet die FTC - nicht die FDA.
Können autorisierte Generika die Preise für Patienten senken?
Manchmal - aber nur kurzfristig und ungleichmäßig. Wenn ein autorisiertes Generikum auf den Markt kommt, sinkt der Preis des Originalmedikaments um 15 bis 20 Prozent. Aber das ist kein echter Wettbewerb. Ein echtes Generikum senkt den Preis oft um 80 Prozent. Autorisierte Generika verhindern, dass echte Konkurrenten überhaupt eintreten - und damit bleibt der Preis langfristig höher, als er sein könnte.
Wie erkenne ich ein autorisiertes Generikum in der Apotheke?
Schauen Sie auf das Etikett. Wenn der Herstellername identisch ist mit dem des Originalmedikaments - oder ein Tochterunternehmen des Originalherstellers steht - dann ist es wahrscheinlich ein autorisiertes Generikum. Oft steht auch „authorized generic“ oder „same as [Markenname]“ darauf. Fragen Sie die Apothekerin oder den Apotheker: „Ist das ein echtes Generikum oder ein autorisiertes?“ Sie wissen es.
Gibt es gesetzliche Versuche, autorisierte Generika zu verbieten?
Ja. Der „Preserve Access to Affordable Generics and Biosimilars Act“ wurde 2023 erneut vorgeschlagen. Er würde Vereinbarungen verbieten, bei denen ein Originalhersteller verspricht, kein autorisiertes Generikum einzuführen - wenn der Generikahersteller seine Markteinführung verschiebt. Solche Vereinbarungen gelten als wettbewerbswidrig. Bislang ist das Gesetz aber noch nicht verabschiedet.